Anfangs will niemand etwas mit dem Mann von der Zeitung zu tun haben, er wird übel beschimpft. Aber dann finden sich doch welche, die mit ihm sprechen: Deutsche Freiwillige, die behaupten, in der Ukraine mit den Waffen gegen Russen zu kämpfen.
Dieser Krieg findet in der FAZ hinter der Bezahlschranke statt. Die Zeitung wollte mit ihrer Geschichte wohl in keinem Fall wie ein Landserheft erscheinen und titelte fast panisch und bald so, als müsse man Nachahmer und jedwede soldatische Begeisterung abwehren: „Nach dem Gefecht zittern sie und übergeben sich.“
Der aus der FAZ zitierende Focus überwindet diese Hemmschwelle. Hier wird die kämpferische Motivation der Freiwilligen zur Schlagzeile: „Deutsche Freiwillige im Krieg: Daheim hätte ich mir nie mehr ins Gesicht schauen können.“
Und dann geht es schon in den Schützengraben, runtergetippt an den Designer-Laptops in den vollklimatisierten deutschen Magazin-Redaktionen: Ein Angriff auf einen russischen Konvoi wird beschrieben. Es gibt Tote. Zehn Russen tot, aber auch vier Deutsche sind bereits gestorben – oder muss man „gefallen“ sagen, wenn es um Opfer von Kriegshandlungen geht? Da sind wieder Deutsche „im Krieg geblieben“. So vorsichtig umschrieben es Großmütter in der Nachkriegszeit, wenn sie von ihren elend im Krieg verreckten Söhnen erzählten.
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Einer der Freiwilligen, mit denen der FAZ-Redakteur via Telegramm ins Gespräch gekommen ist, erzählt dem Journalisten, er sei aktiver Panzergrenadier der Bundeswehr mit Kommandoausbildung. Der andere wird als ein ehemaliger Berufssoldat im Führungsunterstützungsbataillon der Bundeswehr vorgestellt, dort zuständig für Kommunikation und Funk.
Beide Männer berichten, über Polen eingereist und auf einem Stützpunkt der Ukrainer auf den Krieg vorbereitet worden zu sein. Später auf Patrouille entdecken „vier Sachsen“ im Nordwesten von Kiew einen russischen Truppenkonvoi. Sie greifen aus dem Hinterhalt an und töten zehn bis elf russische Soldaten, berichtet einer von ihnen der Frankfurter Zeitung.
Das sich hinterher manche übergeben und gezittert hätten, sei ja „ganz normal“, erfährt der Redakteur weiter. Warum sie überhaupt kämpfen, begründen sie ihm gegenüber so: „Wir sind weder Helden noch Kriegsjunkies. Wir sind normale Bürger wie jeder andere auch in Deutschland.“ Das allerdings ist in diesem Moment schwer unter einen Hut zu bringen. „Liebe Grüße nach Deutschland“, endet ein wirklich verstörender Artikel.
Was FAZ und Focus da berichten, wirkt bald so, als kämpften die Autoren Satz für Satz darum, nicht wieder wie diese alten Landser-Groschenromane vom Kiosk zu klingen, eingekauft von unverbesserlichen alten Männern zusammen mit der Bildzeitung und einem obligatorischen Zehntel Mariacron.
Auch mein Großvater war als Wehrmachtssoldat in der Ukraine. Er erzählte seinen Enkeln vom Krieg und vom Schuss ins Gesäß, als er 1943 vor Charkow lag und dort die Artillerie einlenken musste, wenn die Treffer nicht richtig saßen. Mein Opa war einfacher Gefreiter. Seine erste und einzige Auszeichnung bekam er für seinen Einsatz vor Charkow: Das Verwundetenabzeichen.
Mein Opa war ein Landser, der keine Landserhefte las. Der Begriff „Landserheft“ wird heute bisweilen als Synonym für kriegsverherrlichende Trivialliteratur gebraucht. Tatsächlich wurden die Groschenromanen mit Kriegsgeschichten in Deutschland von 1957 – 2013 verkauft. Anfangs mit monatlich einer halben Millionen verkauften Exemplaren, später mit deutlich weniger.
2009 erschien das Landserheft Nr. 2696. Es trägt den Titel „Kampf um Charkow“. Der Untertitel lautet: „Kriegsjahr 1943. Die Wiedereroberung der sowjetischen Großstadt. Erinnerungen eines ehemaligen Angehörigen der Waffen-SS“. Auf der Rückseite des Heftes ist ein deutsches Geschütz abgebildet und auf der Innenseite ein Porträt von Hans Passegger, Ritterkreuzträger des Heeres. Auch Dienstgradabzeichen der Waffen-SS sind abgebildet.
Noch Ende Januar sagte die deutsche Verteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD) gegenüber der Welt am Sonntag: „Wir werden nicht weichen, so einfach machen wir es den Russen nicht.“
Nein, Lambrecht sprach hier noch nicht über den Einsatz deutscher Soldaten in der Ukraine, sondern über den Bundeswehreinsatz in Mali. Die Ministerin damals weiter: „Moskau wird es nicht gelingen, über die Entsendung von Söldnern den Westen quasi automatisch überall dort zum Rückzug zu bewegen, wo Russland uns nicht sehen will.“
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat Ausländer aufgefordert, die Ukraine bei der Verteidigung gegen Russland zu unterstützen. Dem Aufruf sind jetzt offenbar bereits bei der Bundeswehr ausgebildete Männer gefolgt.
Die ukrainische Regierung spricht sogar von rund eintausend Freiwilligen aus Deutschland. Überwiegend soll es sich dabei um Deutsche ukrainischer Herkunft handeln.
Da es keine Grenzkontrollen im Schengenraum gibt, ist eine Ausreise etwa über Polen möglich, ohne dabei von deutscher Seite registriert zu werden. Darauf weist auch das Bundesinnenministerium hin. Man wisse deshalb nicht, wie viele Menschen Richtung Ukraine ausgereist seien, um sich an den Kämpfen zu beteiligen. Das Ministerium geht weiter davon aus, dass diese Menschen Ukrainer sind oder zumindest einen deutsch-ukrainischen Hintergrund haben.
Wir sprechen dazu kurz mit Heiko Teggatz, dem Gewerkschaftsboss der Bundespolizei. Der weiß auch nichts Konkretes über solche Söldner aus Deutschland. Aber er empfiehlt uns, doch bei den Diensten nachzufragen, die möglicherweise ein Auge geworfen haben auf Deutsche mit ukrainischem Hintergrund, die in der Bundeswehr tätig waren oder sind und sich auf den Weg gemacht haben.
Nazis und andere Landser-Nostalgiker in der dritten Generation nach dem Überfall Hitlers auf die Sowjetunion sind ebenfalls schon ins Visier geraten. Der Spiegel berichtet von deutschen Rechtsextremisten, die sich dem „rechtsextremen Asow-Regiment“ der Ukrainischen Armee angeschlossen hätten.
Nein, Nazis will die deutsche Regierung nicht sehen im Kampf um die Ukraine. Aber ansonsten sei dagegen rechtlich im Prinzip nichts einzuwenden, zitiert der Tagesspiegel aus Antworten des Innen- und des Justizministeriums auf Anfrage der Zeitung: „Die Bundesregierung wird eigene Staatsbürger nicht grundsätzlich daran hindern, zu den Kämpfen in die Ukraine zu reisen – und sie würden dafür auch nicht per se von der Justiz verfolgt. Dies gilt für potenzielle Einsätze sowohl für die ukrainische als auch die russische Seite.“
Adolf Kaipel schrieb 1941 in die deutsche Heimat:
„Liebe Schwester (…) jetzt kommt schon Ende März und wir haben hier immer noch eine Kälte von 34 Grad. Jedoch sind wir schon so abgehärtet, daß sie uns nicht mehr viel anhaben kann. (…) Die Russen haben vor einigen Tagen unseren Troß überfallen. Alles ist jetzt weg, nur die Wäsche, die wir anhatten, ist uns geblieben. Unser Hoffen und Flehen steht nun bei Gott, daß er uns bald den Frieden schenke. (…) Dauernd Tag für Tag mußten wir uns auf das Schlimmste, das einem im Krieg bevorsteht, vorbereiten. Am fürchterlichsten ist die Nacht vor der es uns schon immer graut.“
Adolf Kaipel trat am 6. Juli 1942 in Kupjansk nahe Charkow auf eine Mine und verstarb wenig später an den Folgen seiner Verletzungen.
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